18. Dezember 2023
Der Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen (CERD): Bundesregierung muss Verantwortung für koloniales Unrecht übernehmen
Forderungen aus dem Alternativbericht zum 23. bis 26. Staatenbericht für Deutschland in den CERD-Bericht der Vereinten Nationen aufgenommen
Pressemitteilung von Decolonize Berlin, Berlin Postkolonial, Flinn Works, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), 18. Dezember 2023
Anlässlich des 23. bis 26. Staatenberichtsverfahrens Deutschlands vor dem UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (CERD) haben wir als Bündnis am 27. Oktober 2023 einen Alternativbericht zu CERD eingereicht und veröffentlicht. Der Alternativbericht rügt Deutschlands Position und Umgang mit vor allem menschlichen Gebeinen/ Ahnen, aber auch mit dem Kulturgut aus kolonialen Unrechtskontexten. Wir fordern darin einen menschen- und grundrechtsbasierten Repatriierungsprozess unter effektiver Berücksichtigung der Beteiligungsrechte betroffener Nachfahr:innen, Familien und Gemeinschaften in zwischenstaatlichen Verhandlungen. Zu den zentralen Forderungen unseres Berichts gehört die juristische Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen und ihrer anhaltenden Auswirkungen auf die ehemals kolonisierten Gemeinschaften.
Mit großer Freude haben wir nun zur Kenntnis genommen, dass wichtige Forderungen unseres Alternativberichts in den abschließenden Bemerkungen des Antirassismus-Ausschusses (CERD) aufgenommen wurden. So fordert der CERD-Ausschuss die Bundesregierung auf, einen umfassenderen Ansatz zur Wiedergutmachung kolonialen Unrechts zu verfolgen und die Nachfahr:innen der Opfer des deutschen Kolonialismus in diesen Prozess signifikant mit einzubeziehen (48. (a) und (b)). Darüber hinaus fordert der Ausschuss Deutschland als Vertragsstaat des CERD-Übereinkommens dazu auf, bis zum nächsten Bericht konkrete Reparationsmaßnahmen in Bezug auf die koloniale Vergangenheit nachzuweisen (58.).
Sarah Imani, Legal Advisor beim ECCHR, kommentiert die Aufnahme zentraler Forderungen des Alternativberichts in den CERD-Bericht: „Dass der UN-Ausschuss zur Antirassismus-konvention Deutschland auffordert, umfassende Maßnahmen zur Umsetzung von Reparationen und Restitutionen für koloniales Unrecht zu ergreifen, ist ein historischer Moment. Deutschland kann nun beweisen, dass es sich dieser – wie es selbst immer sagt – „historischen Schuld“ angemessen und unter Berücksichtigung der Forderungen der betroffenen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft sowie ihrer menschenrechtlich verbrieften Beteiligungsrechte auch in zwischenstaatlichen Verhandlungen in der Gegenwart und für die Zukunft stellt“.
Auch Mnyaka Sururu Mboro, langjähriger Aktivist für die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus und Mitbegründer von Berlin Postkolonial, begrüßt die Aufnahme unserer Forderungen in den CERD-Bericht und ergänzt: „Der Bericht bestätigt meine und unsere jahrelange Arbeit. Die Bundesregierung muss sich endlich ihrer vollen Verantwortung für das begangene koloniale Unrecht stellen. Die Rückführung aller Ahnen und die Rückgabe aller Kulturgüter, die in der Kolonialzeit geraubt wurden, müssen jetzt dringend umgesetzt werden.“
Im Zusammenhang mit den Forderungen unseres Alternativberichts möchten wir nochmals für die Einrichtung eines beratenden Gremiums (advisory board) für den neuen Restitutionsfonds bei dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste plädieren, in dem insbesondere Vertreter:innen der betroffenen Gemeinschaften sowie Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen aus den Herkunftsländern vertreten sind. Die Forderung nach der Gründung eines solchen Ausschusses ist auch Gegenstand eines aktuellen offenen Briefes mit 53 internationalen Erstunterzeichner:innen an Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock.