Koordinierungsstelle

Restitutionen und Repatriierung als Menschenrechte

Auch Jahrzehnte nach dem formalen Ende des Kolonialismus befinden sich die Gebeine ehemals kolonisierter Menschen (Ancestral Remains) in deutschen Museen, staatlichen Einrichtungen und privaten Sammlungen. Viele dieser menschlichen Gebeine/Ahnen stammen aus den ehemaligen Kolonien des Deutschen Reiches: Tansania, Ruanda, Burundi, Namibia, Kamerun, Togo, Papua-Neuguinea, Kiautschou/Jiāozhōu (China) und Inseln im Pazifik wie Tonga und Marshallinseln.

Die Rückgabe von Kulturgütern und Ancestral Remains aus kolonialen Kontexten ist ein drängendes Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Rückführung von Ancestral Remains, also menschlichen Gebeinen, die während der Kolonialzeit geraubt wurden und deren Rückführung von Nachfahr:innen und Herkunftsgemeinschaften zunehmend gefordert wird. Dass die Rückgabe der Gebeine vor allem in nicht-westlichen Ländern eher schleppend verläuft, hat verschiedene Ursachen und zeigt eine Diskrepanz zwischen dem formulierten politischen Willen und der tatsächlichen Umsetzung der Rückgabe. Der Abschlussbericht des UN-Ausschusses zur Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) vom Dezember 2023 fordert Deutschland daher explizit auf, eine gesetzliche Grundlage für solche Rückführungen zu schaffen, um von Einzelfalllösungen wegzukommen und mehr Transparenz zu schaffen.

Zwei Hauptaspekte beschäftigen uns in diesem Jahresbericht. Zum einen möchten wir die App „We Want Them Back“ vorstellen, die Nachfahr:innen und Herkunftsgemeinschaften erste Anlaufstellen aufzeigen soll, um sich an entsprechende Institutionen und Einrichtungen wenden zu können. Der erste Prototyp der App wurde im März 2024 gelauncht. Wir haben uns über das weltweite Interesse gefreut und die Arbeit im Mai auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit FLINN WORKS vorgestellt. Hier standen die tansanischen Nachfahr:innen mit ihrer Forderung nach einer bedingungslosen und rehumanisierenden Rückgabe der Gebeine ihrer Vorfahren direkt an die Familien im Mittelpunkt.

Zum anderen: Was eine rehumanisierende Restitution bedeuten kann, beschreibt Ciraj Rasool in seinem Beitrag. Er berichtet von seinen Erfahrungen bei den Verhandlungen um die Rückgabe der Gebeine von Klaas und Trooi Pienaar und den daraus resultierenden Prinzipien eines rehumanisierenden Ansatzes.

Seit der Einreichung des Alternativberichts vor dem CERD-Komitee setzen wir uns weiterhin gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen für eine rechtsbasierte Lösung für die Rückführung der Ahnen und die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten in Deutschland ein.

Die Frage, wie Menschen in den Mittelpunkt gerückt werden können - sowohl die Toten als auch die Lebenden - wird uns weiterhin beschäftigen. Es braucht einen Paradigmenwechsel in Museen, Institutionen und Politik, einen rassismuskritischen und selbstreflexiven Umgang mit den überwiegend weißen Museumsstrukturen und einen langen Atem für die Nachfahr:innen und Aktivist:innen, die oft entmenschlichende Sprache und Umgangsformen ertragen müssen, um ihre Familien wiederzufinden. Restitutionen und Rückgaben sollten nicht an moralische Erwägungen Einzelner gebunden sein, sondern als Menschenrechte verstanden werden, das einer rechtlichen Grundlage bedarf. Hierfür werden wir uns weiterhin einsetzen.