Restitutionen und Repatriierung

Auch Jahrzehnte nach dem formalen Ende des Kolonialismus befinden sich die Gebeine ehemals kolonisierter Menschen (Ancestral Remains) in deutschen Museen, staatlichen Einrichtungen und privaten Sammlungen. Viele dieser menschlichen Gebeine/Ahnen stammen aus den ehemaligen Kolonien des Deutschen Reiches: Tansania, Ruanda, Burundi, Namibia, Kamerun, Togo, Papua-Neuguinea, Kiautschou/Jiāozhōu (China) und Inseln im Pazifik wie Tonga und Marshallinseln.

Restitutionen und Repatriierung als Menschenrechte
Die Rückgabe von Kulturgütern und Ancestral Remains aus kolonialen Kontexten ist ein drängendes Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Rückführung von Ancestral Remains, also menschlichen Gebeinen, die während der Kolonialzeit geraubt wurden und deren Rückführung von Nachfahr:innen und Herkunftsgemeinschaften zunehmend gefordert wird. Dass die Rückgabe der Ancestors vor allem in nicht-westlichen Ländern eher schleppend verläuft, hat verschiedene Ursachen und zeigt eine Diskrepanz zwischen dem formulierten politischen Willen und der tatsächlichen Umsetzung der Rückgabe. Mangelnde Transparenz über die Anzahl der Gebeine in öffentlichen Sammlungen, hat es Angehörigen, Communities und Aktivist:innen in den vergangenen Jahrzehnten oft erschwert, eine Repatriierung einzufordern.

Die Koordinierungsstelle hat sich von Beginn an intensiv mit dem Thema beschäftigt. Durch die Veröffentlichung der Publikation We Want Them Back (2022) und die Beauftragung eines wissenschaftlichen Gutachtens konnte aufgezeigt werden, dass sich in Berlin noch immer über 5985 Gebeine aus kolonialen Kontexten in öffentlichen Einrichtungen befinden. In internationalen Fachveranstaltungen und Symposien wurden Fragen rund um die menschenrechtliche Aspekte, respektvolle und dekoloniale Ansätze im Umgang mit den Ancestors/Ahnen und Herausforderungen für Communities und zivilgesellschaftliche Akteur:innen diskutiert. Die App „We Want Them Back“ wurde von Betroffenen initiiert, gemeinsam entwickelt und gestaltet und soll Nachfahr:innen und Herkunftsgemeinschaften erste Anlaufstellen aufzeigen, um sich mit Anfragen an entsprechende Institutionen und Einrichtungen wenden zu können. Der erste Prototyp der App wurde im März 2024 gelauncht und wird derzeit als Open Source Projekt weiterentwickelt.

Gemeinsam mit ECCHR, Berlin Postkolonial, Flinn Works und der ISD hat Decolonize Berlin 2023 einen alternativen Bericht im Rahmen des Staatenberichtsverfahrens bei dem UN-Antirassismusausschuss (Committe on the Elimination of Racial Discrimination - CERD) eingereicht. Der Abschlussbericht des CERD-Ausschusses vom Dezember 2023 fordert Deutschland daher explizit auf, eine gesetzliche Grundlage für Rückführungen zu schaffen, um von Einzelfalllösungen wegzukommen und mehr Transparenz zu schaffen. Wir setzen uns weiterhin gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen für eine rechtsbasierte Lösung für die Rückführung der Ahnen und die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten in Deutschland ein.

 

Forderungen

Hier sind einige Forderungen aus dem 2-jährigen Partizipationsprozess aufgeführt. Die kompletten Forderungen sind im Jahresbericht 2021 verschriftlicht.

  1. Eigentumsrechtliche Übertragung und Angebot einer Rückführung aller Ahnen, Kultur- und Naturgüter aus kolonialen Gebieten
  • Das Land Berlin setzt sich auf Bundesebene für ein Gesetz ein, das die Repatriierung von menschlichen Gebeinen und die Restitution von Kultur- und Naturobjekten aus kolonialen Kontexten sicherstellt
  • Erweiterung der Definition von kolonialem Raubgut: neben Erwerb, Geschichte und Erwerb über andere Kolonialmächte sollte auch der Zeitpunkt des Erwerbs hinzugezogen werden

2. Zügige Repatriierung aller menschlichen Gebeine aus kolonialen Kontexten

  • Anordnung eines sofortigen Forschungsstopps an menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten (keine invasive Provenienzforschung, außer mit Zustimmung aus Herkunftscommunities /informed consent)
  • Schaffung eines Beratungsgremiums (Advisory Board) von Repatriierungspraktiker*innen aus Herkunftsgesellschaften
  • Berlin setzt sich für eine rechtliche Rehumanisierung der Gebeine aus kolonialen Kontexten auf Bundesebene ein

3. Transparenz / Offenlegung von ausstehenden Rückforderungen und Rückforderungsgesuchen

  • Digitalisierung und Öffnung der Museums- und Sammlungsarchive: Daten zu menschlichen Gebeinen und Entitäten aus kolonialen Kontexten zugänglich machen
  • Inventarisierungsarbeit gemeinsam mit Kolleg*innen und Fachleuten aus ehemaligen Kolonien

We Want Them Back! – App zur Unterstützung bei der Suche nach den Vorfahr:innen

In deutschen Sammlungen und Institutionen befinden sich nach wie vor Ancestral Remains aus kolonialen Kontexten. Diese Gebeine wurden während der Kolonialzeit gewaltsam entwendet und für rassistische Forschungen missbraucht. Die Entmenschlichung von damals setzt sich heute in der anhaltenden Objektivierung der Menschen weiter fort.

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Rehumanisierung – Ein Paradigmenwechsel

Die Idee der Rehumanisierung – der Wiederherstellung einer Menschlichkeit und Humanität, die zuvor entfernt oder verweigert wurde – ist nicht neu. Dennoch wurde der Begriff „Rehumanisierung” vermutlich zum ersten Mal in einem Museumskontext verwendet, als die ancestral remains des Ehepaars Klaas und Trooi Pienaar im Jahr 2012 von Österreichs Hauptstadt Wien nach Kuruman in Südafrika zurückgebracht wurden.

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Restitutionen und Repatriierung als Menschenrechte

Auch Jahrzehnte nach dem formalen Ende des Kolonialismus befinden sich die Gebeine ehemals kolonisierter Menschen (Ancestral Remains) in deutschen Museen, staatlichen Einrichtungen und privaten Sammlungen. Viele dieser menschlichen Gebeine/Ahnen stammen aus den ehemaligen Kolonien des Deutschen Reiches.

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