Bildung und Wissenschaft

Das gegenwärtige Bildungssystem ist nach wie vor von historischen Machtverhältnissen, eurozentrischen Perspektiven und kolonialien Kontinuitäten durchzogen. Dies spiegelt sich in den Ausbildungsstrukturen von Erzieher:innen, Pädagog:innen und Lehrkräften, den Curricula der Universitäten, den Bildungsansätzen in Kindertageseinrichtungen, den Lehrplänen für Schulen und pädagogischen Ansätzen wider.

Bei eingehender Betrachtung zeigt sich so, welches Wissen und welche Wissenessysteme als erelevant gelten und welche marginalisiert werden. Um Dekolonisierungsprozesse im Bildungsbereich anzustoßen, braucht es eine kritische Auseinandersetzung mit relevanten Fragen: Wie wurde und wird Wissen produziert? Was gilt im Bildungskontext als "wissenswert"? Wer spricht? Für wen sind Räume wie Kindergärten, Schulen und Universitäten gedacht? Und wer wird nicht (oder nur) mitgedacht? Diesen Fragen widmet sich Prof. Dr. Maisha Auma in ihrem Gutachten zur dekolonialen Qualität des Berliner Bildungsprogramms für Kitas und Kindertagespflege. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass Diskriminierungen, Marginalisierungen und Exklusionen nie separiert und an nur einer Stelle auftreten. Sprich: Kolonial und rassistisch geprägte Normen, Abwertungen und Exklusionen lassen sich erst nachvollziehen, wenn sie intersektional, also als miteinander verzahnt, erfasst werden. Seit vielen Jahrzehnten gibt es zivilgesellschaftliche Forderung nach der praktischen Umsetzung des Rechts auf diskriminierungsfreie Bildung.

In ihrem Gutachten zur kolonialen Vergangenheit Berliner Hochschulen zeigt Dr. Akiiki Babyesiza, dass die moderne Wissenschaft eng mit dem kolonialen Zeitalter verknüpft ist. Im 19. Jahrhundert spiegelt sich dies in der Gründung von Fachgesellschaften und den Biografien einflussreicher Hochschulakteure wie Ferdinand von Richthofen wider. Dies betrifft zahlreiche Disziplinen, etwa Afrikanistik, Geografie, Ethnologie, Anthropologie, Botanik, Medizin und Museumskunde.

Eine unzureichende Dekolonisierung der Wissenschaften hat Konsequenzen für alle anderen Bildungsbereiche, z.B. für die Lehrerbildung: Fehlt eine kritische Einordnung der jeweiligen Fachgeschichte, hat dies Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung, den Bildungskanon und die pädagogische Arbeit mit Kindern, die von Rassismus betroffen sind.

Die Reproduktion rassistischen Wissens, sei es durch Schulbücher oder die Gestaltung des Unterrichts, resultiert in einer Verinnerlichung rassistischen Wissens und der Festigung von ungleichen Machtverhältnissen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, ein tiefgreifendes Verständnis dafür zu entwickeln, dass Antirassismus eine Querschnittsaufgabe für den gesamten Bildungsbereich ist. Ein derartiges Verständnis ist essenziell, um den Kreislauf rassistischer Wissensproduktion zu durchbrechen.

2025 wird das Projekt "Bildungsprojekt: Straßen erzählen Geschichten - Dekoloniale Perspektiven auf den öffentlichen Raum" bei Decolonize Berlin umgesetzt (gefördert von der LADS).

Forderungen

Hier sind einige Forderungen aus dem 2-jährigen Partizipationsprozess aufgeführt. Die kompletten Forderungen sind im Jahresbericht 2021 verschriftlicht.

  1. Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien sowie der UN-Behindertenrechtskonvention und Kinderrechtskonventionen im Berliner Bildungssystem
  2. Antidiskriminierungsarbeit in der Senatsverwaltung verankern
  3. Gründung einer Akademie für Diversitätsbildung
  4. Schaffung einer transparenten, unabhängigen Informations- und Beschwerdestelle für Diskriminierungsfälle im Berliner Bildungsbereich

Speziell im frühkindlichen Bildungsbereich:

  1. diskriminierungskritische ORganisationsentwicklung für Kitas, Schulen und Bildungsträger stärken
  2. dekoloniale und global verantwortliche Überarbeitung der pädagogischen Leitlinien
  3. Intersektionale und rassismuskritische Wissensbasis und Kompetenz in der Erzieher:innenausbildung stärken, z.B. durch die Verankerung in den Rahmenlehrplänen für Frühpädagog:innen und Erzieher:innen

Speziell im schulischen Bildungsbereich:

  1. Einrichtung einer Arbeitsgurppe zu Dekolonilaität im Bildungsbereich bei der KMK in Zusammenarbeit mit BPoC-Expert:innen
  2. dekoloniale Bildung als übergreifendes Thema in die Rahmenlehrpläne verankern, z.B. Ergänzung des fachübergrifenden Themas "Postkoloniale Bildung" als Kompetenzentwicklungsziel der Berliner Schulbildung
  3. verpflichtende Antirassismusmodule in der Berliner Lehramtsausbildung (sowohl in der universitären als auch praktischen Ausbildung) und entsprechende Fortbildungsangebote
  4. Empowerment-Angebote für von Diskriminierungen und Rassismen betroffene Lehrkräfte

Speziell im Bereich Wissenschaften

  1. Gründung eines Wissenschaftszentrums zur Aufarbeitung des Kolonialismus
  2. Aufarbeitung der Geschichte der Berliner Hochschulen als koloniale Institutionen (Archive, Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit) durch die Schaffung zusätzlicher wissenschaftlicher Stellen (Lehrdeputat)
  3. Schaffung eines dauerhaften Lehrstuhls "Black Studies" in Berlin

Vom Forschungsobjekt zum selbstbestimmten Subjekt werden – für eine postkoloniale Wissenschaft

Die europäische Erkenntnistheorie und deren Wissensbestände beruhen auf einer strikten Trennung: der Trennung zwischen dem erkennenden Subjekt und dem zu erkennenden Objekt. Die Übertragung dieser ursprünglich naturwissenschaftlichen Methode auf die Sozialwissenschaften hatte in der Geschichte, aber auch in der Gegenwart, verheerende Folgen.

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Diversität in deutschen Schulcurricula. Cheikh Anta Diop, Sophie Bosede Oluwole, May Ayim a.o. wanted!

Deutsche Schulcurricula sind eurozentristisch und hauptsächlich von weißen Perspektiven geprägt. Lehrpläne zu diversifizieren, bedeutet, Perspektiven aus dem Globalen Süden einzubinden, europäische Werke kolonial- und rassismuskritisch zu analysieren, aber in diesem Kontext auch auf ihre Relevanz zu überprüfen.

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Für eine kritische Diversitätsbildung der Berliner Lehrkräfte

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Dekolonisierung des Bildungsbereichs

Das heutige Bildungssystem ist noch immer durchzogen von historischen Machtverhältnissen, eurozentrischen Perspektiven und kolonialen Kontinuitäten. Dies spiegelt sich in den Ausbildungsstrukturen der Lehrkräfte, den Curricula der Universitäten, den Bildungsansätzen in Kindertageseinrichtungen, Schulen und bei vielen außerschulischen Bildungsangeboten und in den Lehrplänen wieder.

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Dekolonisierung des Berliner Wissenschaftsbetriebe

Wissenschaft und Forschung in der Kolonialzeit und darüber hinaus dienten der wissenschaftlichen Legitimation von weißer Vorherrschaft und Kolonialrassismus. Dies hat Auswirkungen bis in die Gegenwart.

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„Alle Schulbücher sollten einer diskriminierungskritischen Prüfung unterzogen werden”

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