Erinnerungskultur & Öffentlicher Raum
Die Aufarbeitung der eigenen Kolonialgeschichte steht in Deutschland noch ganz am Anfang. Erste zaghafte Schritte werden hier zwar unternommen, aber dies sind oft noch einzelne Initiativen, die nicht gemeinsam gedacht werden. Beispielsweise fehlt bis heute eine Entschuldigung für koloniales Unrecht und Gewaltverbrechen in den ehemaligen deutschen Kolonien durch die Bundesregierung oder den Bundestag.
Der europäische und deutsche Kolonialismus hat sowohl globale als auch lokale Folgen, die sich in gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Erinnerungspolitiken niederschlagen. Diese Kolonialität ist in Deutschland allgegenwärtig: Sei es durch die Ehrung von Kolonialverbrechern im öffentlichen Raum, die gesellschaftliche Debatte um rassistische Begriffe oder die fehlende Einsicht, den Kolonialismus als Unrechtssystem anzuerkennen. Im Alltag zeigt sie sich in Ausgrenzungen, der Reproduktion von Rassismen und der fehlenden Sichtbarkeit Schwarzer, migrantischer, diasporischer Geschichte. Um intersektionale und mehrdimensionale Ausschlüsse, beispielsweise aufgrund von gender und race, zu bekämpfen, sollte sich die gesamte Gesellschaft im öffentlichen Raum wiederfinden – mit geteilten Erinnerungen, aber auch den spezifischen Erinnerungen bestimmter Gruppen innerhalb der Gesellschaft.
Decolonize Berlin setzt sich seit Jahrzehnten für die Umbenennung von Straßen ein, die Kolonialverbrecher ehren, engagiert sich in Jurys und hat in den letzten Jahren die Umbenennungsfeiern für die Maji-Maji-Allee, Anna-Mungunda-Allee, Cornelius-Fredericks-Straße, Manga-Bell-Platz, Baraschstraße und Lucy-Lameck-Straße (mit)organisiert. Dabei geht es nicht nur darum, antikolonialen Widerstandskämpfer*innen oder Bewegungen zu ehren, sondern Lernorte im öffentlichen Raum zu schaffen.
Eine der zentralen Forderungen des Partizipationsprozesses 2020-2021 wurde mit der Einrichtung der Stelle zur Erarbeitung eines gesamtstädtischen Erinnerungskonzepts: Kolonialismus Erinnern (Leitung: Ibou Diop) bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin umgesetzt. Decolonize Berlin e.V. ist Kooperationspartner im Prozess der Erarbeitung des Erinnerungskonzepts. Die Koordinierungsstelle unterstützen aktiv die Arbeit der Teams Kolonialismus Erinnern.
Forderungen
Hier sind einige Forderungen aus dem 2-jährigen Partizipationsprozess aufgeführt. Die kompletten Forderungen sind im Jahresbericht 2021 verschriftlicht.
- Entwicklung eines zentralen Lern- und Erinnerungsortes bezüglich der Anerkennung, Aufarbeitung und Erinnerung an deutsche Kolonialverbrechen sowie dem Völkermord an den Ovaherero und Nama
- Perspektiven der ehemals Kolonisierten in Erinnerungskultur verankern und antikolonialen Widerstand in den ehemaligen Kolonien und Deutschland darstellen
- Staffung dezentraler und zentraler Lern- und Erinnerungsorte zur deutschen Kolonialgeschichte in Berlin
- kolonialkritische Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum, Schaffung von transparenten Entscheidungsprozessen
„Unsere Arbeit ist noch lange nicht beendet!“
Die Umbenennung der Straße ist für mich nicht unbedingt eine Befreiung, sondern eher ein Skandal, weil die Geschichte der Kolonialverbrechen bis heute nicht aufgearbeitet und die Taten der Kolonialverbrecher nicht sichtbar gemacht wurden. Die Umbenennung kann nun einen Beitrag leisten, um eben diese Taten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.det.
Interventionen im öffentlichen Raum
Die Narrative und Diskurse einer Erinnerungskultur spiegeln sich besonders deutlich im öffentlichen Raum wider. Sie zeigen, inwieweit eine Stadtgesellschaft bereit ist, sich kritisch mit ihrer Geschichtsschreibung und kolonialen Kontinuitäten auseinanderzusetzen.
Erinnerungen sind das, was bleibt, wenn die Gegenwart vorüber ist
Im August 2019 hat das Berliner Abgeordnetenhaus sowohl die Entwicklung eines gesamtstädtischen Aufarbeitungskonzepts als auch eines Erinnerungskonzepts zur Geschichte und den Folgen des Kolonialismus des Landes Berlins beschlossen.
Straßen und Plätze
Der Arbeitskreis Stadtraum vom Bündnis Decolonize Berlin e.V. hat sich mit der Auszählung von weiblich- und männlich-gelesenen Straßennamen Berlins beschäftigt. Die vorliegende Publikation offenbart eine fehlende Parität in allen Bezirken und Ehrung antisemitischer, kolonial-rassistischer oder faschistischer Personen …