NARUD e.V.

Anti-Schwarzen Rassismus sichtbar machen!

Am 22.02.2024 ging ein Schwarzes Paar mit seinen zweijährigen Kindern durch den Berliner Bezirk Schöneberg, als eine Passantin beiden Kindern unvermittelt ins Gesicht spuckte. Als die Eltern die Frau konfrontierten, beleidigte sie die Familie rassistisch. Solche Vorfälle sind leider Alltag in Berlin.

Die Berliner Register (1) dokumentieren rassistische, antisemitische, behindertenfeindliche und extrem rechte Vorfälle wie diesen. 2023 erfassten die Berliner Register 304 Vorfälle mit anti-Schwarz rassistischem Motiv. Dabei handelt es sich nicht nur um tätliche Angriffe, sondern auch um Bedrohungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen, strukturelle Benachteiligungen und Propagandavorfälle. Die Vorfälle stammen aus der Presse, von Beratungsorganisationen oder werden uns von den Betroffenen direkt gemeldet. Im Vergleich zu anderen rassistischen Vorfällen sind bei den gemeldeten anti-Schwarz rassistisch motivierten Vorfällen besonders oft Kinder betroffen. Schon Kleinkinder laufen Gefahr, auf der Straße angegriffen, angespuckt oder rassistisch beleidigt zu werden. Besonders häufig sind Übergriffe auf Kinder im öffentlichen Nahverkehr. Aber auch in Berlins Schulen kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Schwarze Kinder Opfer von rassistischem Mobbing werden. 2023 erfassten wir 32 anti-Schwarz rassistische Vorfälle an Schulen. Dabei beobachten wir häufig eine Täter-Opfer-Umkehr. Statt Schwarze Kinder zu schützen, unterstellen Lehrkräfte ihnen, sie seien aggressive oder ‚schwierige‘ Kinder. Lehrkräfte und Eltern, die Rassismus an Schulen thematisieren, werden dabei oft als Querulanten und Nestbeschmutzer abgetan. Wenn Schulleitungen anerkennen, dass Rassismus auch an der eigenen Schule ein Problem ist, fällt häufig Schwarzen Lehrkräften die Aufgabe zu, Veranstaltungen, Workshops und Weiterbildungen zu organisieren. Eine weitere Besonderheit bei anti-Schwarzem Rassismus ist, dass die Hälfte aller erfassten Vorfälle in die Kategorie „strukturelle Benachteiligung“ fällt. Diese schließt Diskriminierungen durch Ämter, am Arbeitsplatz, auf dem Wohnungsmarkt oder im Gesundheitswesen mit ein. Im Gesundheitswesen werden die Beschwerden Schwarzer Menschen häufig nicht ernst genommen, ihre Schmerzen abgetan oder sie werden herablassend behandelt. Besonders viele uns gemeldete Vorfälle ereigneten sich beim Berliner Landesamt für Einwanderung, vor allem im Sommer des vergangenen Jahres, als die Aufenthaltsgenehmigungen vieler aus der Ukraine geflüchteter sogenannter „Drittstaatsangehöriger“ ausliefen und das Landesamt mit der Erneuerung überfordert war. Die Benachteiligungen gingen nicht nur von Mitarbeitenden des Landesamts aus, sondern auch vom Personal der dort agierenden Sicherheitsfirmen. Die Meldungen über die Probleme am Landesamt für Einwanderung erreichten uns aus verschiedenen Communities und Unterstützungsnetzwerken. Dabei sorgte unter anderem die bessere Vernetzung mit diesen Schwarzen Selbstorganisationen für den Anstieg der uns gemeldeten Vorfälle in den letzten Jahren. In individuellen Beratungsgesprächen erzählen die Betroffenen eher von ihren Erlebnissen. Aus unseren Zahlen entnehmen wir auch, dass Schwarze Betroffene eher bereit sind, Vorfälle zu melden, wenn ihre Kinder ebenfalls betroffen sind.

Viele Schwarze Organisationen sind in Dekolonisierungsprozesse eingebunden, dekoloniale Bündnisse sind daher enorm wichtig für die Vernetzung innerhalb der Communities. Wir müssen die Schwarzen Communities stärker dafür sensibilisieren, Vorfälle zu melden, um Lagebilder zu erstellen und belegbar Rassismus öffentlich zu machen. Darüber hinaus haben Dekolonisierungsprozesse bereits wichtige Ansätze hervorgebracht, um gegen anti-Schwarzen Rassismus vorzugehen. So muss Rassismuskritik in der Ausbildung von Lehrkräften und Verwaltungsmitarbeitenden verankert werden. Wenn wir den Druck auf die Politik erhöhen wollen, unsere Forderungen endlich nachhaltig umzusetzen, sind verlässliche Zahlen zu anti-Schwarzem Rassismus unabdingbar.


  1. https://berliner-register.de/